Montag, 28. Dezember 2015

Sieben Jahre nicht-monogam: ein Fazit

Etwa sieben Jahre sind vergangen, seit ich mich dazu entschloss, ein nicht-monogames Leben auszuprobieren. Warum nicht-monogam und nicht polyamor? Ganz einfach: Nicht alles, was nicht monogam ist, ist polyamor. Die Grenzen zwischen monoamor-offenen und polyamoren Beziehungen sind fließend, ebenso wie die Grenzen zwischen Promiskuität und Polyamory (für Erläuterungen zu den Begriffen bitte die entsprechenden Artikel lesen). Sieben Jahre sind eine gute Zeitspanne, um ein Zwischenfazit zu ziehen. Schließlich ist sieben (in Ziffern: 7) eine besondere Zahl: Sieben Tage um die Welt zu erschaffen, sieben Zwerge, sieben Geißlein, sieben Palantíri, sieben Horkruxe,... . Blödsinn, mir war einfach danach, mal wieder was zu schreiben. Der letzte Artikel ist nun auch schon zwei Jahre her. Zwei, ihr wisst schon: Die zwei Türme, die Regel der Zwei,... . Okay, lassen wir das.

Vor sieben Jahren...

...konnte ich von einem erfüllten Liebes- und Sexleben nur träumen. Ich hatte seit meiner letzten - monogamen - Beziehung eine Flaute von anderdreiviertel Jahren, in dieser Zeit (also während der Flaute, nicht während der Beziehung) hatte ich ungefähr ein Mal Sex und die ein oder andere Knutscherei. Dabei war es keineswegs so, dass ich keine Frauen kennen lernte. Ich hatte nur die blöde Angewohnheit, es zu vermasseln sobald es irgendwie "ernst" wurde. Ich war schon relativ resigniert, als ich durch Zufall auf Alternativkonzepte stieß. Mehr noch, mir wurde bewusst, dass die Ursache für meine Flaute eine Mischung aus Unsicherheit und falschen Vorstellungen (oder nicht vorhandenen Vorstellungen) war, wie der Hase läuft. Freilich war ich skeptisch, was offene und polyamore Beziehungen anging, aber es klang alles in sich logisch und so dachte ich mir, ich probiere es einfach mal aus. Wenn sich herausstellen sollte, dass es für mich nicht funktioniert, konnte ich ja immer noch zurück zur Monogamie, die nicht funktioniert.

Die "wilde Phase"

Es funktionierte - und wie! Innerhalb kurzer Zeit hatte ich mehrere Affären am Laufen, die allerdings nie sehr lange hielten. Ich experimentierte, ich wollte wissen, was tatsächlich alles ging. Manche Erinnerungen zaubern mir immer noch ein dreckiges Grinsen auf's Gesicht, bei anderen denke ich mir, das hätte vielleicht nicht sein müssen.
Ich überwand die berühmte "Ansprechangst" und quatschte zwei blonde Schönheiten im Schwimmbad an, die nur dasaßen und den Leuten beim schwimmen zuschauten ("Glaubt ihr, ihr werdet schon vom Zuschauen fit?"). Eine Weile später saßen wir im Whirlpool, ich in der Mitte, beide schmiegten sich leicht an mich. Leider wurde nicht mehr daraus. Ich lernte Frauen im Internet kennen, eine kam sogar aus Nordrhein-Westfalen nach Stuttgart, um sich mit mir zu treffen. Sex beim ersten Date innerhalb weniger Stunden war keine Seltenheit. Beim Feiern in der Rofa geschah es mehrere Male, dass eine Frau mich küsste, bevor wir auch nur ein einziges Wort gewechselt hatten. Dreier, Vierer, Swingerparty, Sex im Freien,... .

Fast vier Jahre lang verwöhnt

Im Sommer 2009 kam ich mit Eva zusammen (meine wilde Phase war damit natürlich noch lange nicht vorbei). Wir waren uns recht schnell darüber im Klaren, dass wir dieselben Moralvorstellungen hatten - nämlich keine. Die Beziehung war unglaublich entspannt und doch gefühlsintensiv im positiven Sinne. Ernsthaften Streit hatten wir kaum. Sachliche Meinungsverschiedenheiten diskutierten wir aus, ansonsten fanden wir immer schnell einen "Deal", der für uns beide okay war. Unsere Nebenaffären und Romanzen schadeten der Beziehung nicht, im Gegenteil: Es war sehr interessant und witzig, wenn sie eine meiner Mädls oder ich einen ihrer Lover kennen lernte. Ich kann mich nur an ein einziges Mal erinnern, dass sie wirklich wütend auf mich war, nämlich als ich unter der Woche mit einer Frau, die ich in der Rofa aufgegabet hatte, in Evas Wohnzimmer so lauten Sex hatte, dass Eva davon aufgewacht ist. (Gegen den Sex hatte sie nichts, aber gegen das Wecken.) Eine ehrliche Entschuldigung und ein Cocktail tags darauf und die Sache war erledigt. Doch irgendwann war die Luft raus. Wir trafen uns eigentlich nur noch, um eine Serie zu schauen, zu essen, und das war's dann. Nicht falsch verstehen: Wir hatten immer noch Sex, nur eben nicht mehr miteinander. Also entschlossen wir uns eines Tages nach einem dreistündigen Gespräch (das für ein Trennungsgespräch ungewöhnlich humorvoll war) schweren Herzens, die Beziehung aufzulösen.

Kompromisse, Zugeständnisse und damit - Probleme

Die darauf folgenden Beziehungen verliefen wesentlich komplizierter. Auch wenn ich mir dessen rational natürlich bewusst war, machte ich nun zum ersten Mal die Erfahrung, dass auch offene oder polyamore Beziehungen nicht immer rosig sind. Die Beziehungen lassen sich alle in etwa so zusammen fassen: Anfängliche Skepsis und Unsicherheit bei der jeweiligen Partnerin, temporäre Zugeständnisse und Rücksichtnahme meinerseits (freiwillig, nicht auf Druck der Partnerin), daraus entwickelte sich über ein paar Zwischenstationen ziemlich doofe Konflikte (an denen ich teilweise auch nicht ganz unschuldig war) und die Sache nahm ihnen natürlichen und unerfreulichen Verlauf. Was nicht heißen soll, dass die Beziehungen nicht schön oder erfüllend gewesen wären: Swingerpartybesuch, Wochenenden zu dritt, Wandern im Winter mit anschließendem Vergnügen in der Jugendherberge, Sommerurlaub in Kroatien,... . Sie waren jedoch von Beginn an zum Scheitern verurteilt - auch wenn man sich in Phasen starker Verliebtheit nicht eingestehen will und hofft, es irgendwie hinbiegen zu können. Klappt meistens nicht.

Und nun?

Nach drei auf diese Weise verkorksten offenen Beziehungen überlegte ich mir tatsächlich eine kurze Zeit, ob ich nicht mal wieder die Monogamie ausprobieren sollte - und sei es nur, um festzustellen, dass es immer noch nichts für mich ist. Im Laufe der letzten zwei Jahre klang auch die "wilde Phase" nach und nach aus. Statt wie früher die Herausforderung zu suchen, chillte ich lieber und wenn sich was ergab, ergab es sich und wenn nicht, dann eben nicht. Das Jahr 2015, das sich nun zu Ende neigt, war ein verhältnismäßig eher braves Jahr. Aber wirklich? Monogamie ausprobieren gegen die eigene Überzeugung? Entstanden doch die Probleme in den letzten Beziehungen meist direkt oder indirekt aus Zugeständnissen und Kompromissen, während die kompromisslose Radikalität mit der ich zuvor vorgegangen war, zu entspannten Verhältnissen geführt hatte. Monogam zu werden, das wäre das größte denkbare Zugeständnis. Aus bisherigen Fehlern zu lernen, indem ich einen noch größeren Fehler begehe, erscheint mir wenig sinnvoll.

Zwei Dinge habe ich definitiv gelernt: 1. Offene und polyamore Beziehungen sind nicht für jede Person geeignet. 2. Kompromisse in grundlegenden Fragen schaden der Beziehung eher als dass die nützen und lohnen sich daher nicht.

Netterweise stellt sich die Frage momentan praktisch nicht. Ich habe derzeit (Ende 2015) mehrere Verhältnisse am Laufen, die ich alle am ehesten noch in die Kategorie "Freundschaft Plus" einordnen würde. Aus keinem davon wird sich eine Beziehung welcher Art auch immer entwickeln. Doch eines Tages wird es mich wieder voll erwischen und je nach Moralvorstellungen und Bedürfnissen der betreffenden Person wird die Frage auf den Tisch kommen - und ich bin mir sicher, die Antwort jetzt schon zu kennen.

Dienstag, 12. November 2013

"Aber wenn man jemanden WIRKLICH liebt..." - die Unsinnigkeit des Ausschließlichkeitsdenkens

Irgendwie ist das Polydingsda ja schon ganz nett. Unter manchen Aspekten. Für manche Menschen. Manchmal. Aber dann kommt der alles entscheidende Einwand: "Wenn man jemanden WIRKLICH liebt, dann hat man gar kein Bedürfnis nach anderen."

Wer genau hat eigentlich die Deutungshoheit darüber, was "wahre" und "unwahre" Liebe sein sollen? Wo der Monogamist davon spricht, dass es doch keine echte Liebe sein könne, wenn man andere begehrt oder wenn es einem nichts ausmacht, dass der Partner weitere Partner hat, könnte der Polyamorist entgegnen, dass es ja keine wahre Liebe sein könne, wenn man den Partner so wenig liebt, dass man ihm keinen weiteren sexuellen Spaß sowie Liebschaften und emotionale Bindungen gönnt. Wenn ich jemanden mag oder liebe, dann gönne ich dieser Person alles erdenklich Gute. Warum soll die Mitfreude denn im Schlafzimmer oder im Herzen plötzlich nicht mehr vorhanden sein?

In Was ist eigentlich Liebe? habe ich ein Modell des Psychologen Robert Sternberg vorgestellt, mit dem sich Liebe grob beschreiben und sich verschiedene Formen der Liebe unterscheiden lassen. Dabei geht es jedoch lediglich um den Schwerpunkt oder die Beschaffenheit der Liebe, nicht um eine Wertung in wahre und falsche oder gute und schlechte Liebe. So können wir natürlich romantische Liebe von kameradschaftlicher Liebe unterschieden (bei der kameradschaftlichen Liebe spielt die Leidenschaft eine geringe bis gar keine Rolle), ohne jedoch irgendeine dieser Formen als "wahrer" oder "unwahrer" als die andere zu bezeichnen (nach welchen Kriterien denn überhaupt?). Man kann sich Gefühle nicht einbilden, entweder man fühlt sie oder man fühlt sie nicht. Man kann sie nur unterschiedlich stark fühlen oder unterschiedlich interpretieren. Natürlich können sich Gefühle im Laufe der Zeit auch ändern, sowohl zum positiven als auch zum negativen für die Betroffenen.

Im Falle der Freundschaft oder familärer Liebe wenden Monogamisten dieses Kriterium übrigens nicht an. Selbst der frömmste Moralist würde nicht auf die Idee kommen zu behaupten, dass man seine Mutter nur dann wirklich lieb haben könnte, wenn man den Vater nicht lieb hat (wir sprechen hier von familiärer Nähe und Bindung, Ödipus und Freud lassen wir an dieser Stelle mal außen vor). Auch würden die wenigsten bestreiten, dass es sehr wohl möglich ist, mehrere gute Freund*innen oder Kumpels zu haben.

Des weiteren stellt sich mir die Frage, warum sich viele Menschen (und Paare) so dermaßen verbohrt mit dem Thema der "Treue" (im Sinne von Ausschließlichkeit), Verboten in der Beziehung, Kontrolle über den Partner und Rachegelüste im Falle eines "Seitensprungs" auseinandersetzen, wenn doch angeblich gar kein Anlass dazu besteht. Wenn das Bedürfnis nach anderen gar nicht existieren kann, dann bräuchte man doch dieses repressive Regelwerk gar nicht. Andersherum: Wenn dieses Regelwerk notwendig ist und von vielen sogar als die Grundlage jedweder Beziehung betrachtet wird, dann ist das ein eindeutiger Hinweis darauf, dass eben doch ein Bedürfnis nach Freiheit, Abwechslung und/oder Nähe zu anderen Menschen besteht. Hier würden die meisten monogamen Menschen einwenden, dass man eben Kompromisse eingehen muss in Beziehungen. Ganz ehrlich: Ich will nicht, dass meine Beziehungen nur Kompromisse sind oder nur das "kleinere Übel". Denn wenn man in solchen grundlegenden Belangen wie Freiheit Kompromisse eingeht, dann fängt man an sich zu verbiegen - und das kann doch wohl kaum der Sinn einer Beziehung sein. Wenn man sich sicher ist, nie das Bedürfnis nach Abwechslung zu haben, dann verzichtet man allerdings zugegebenermaßen auch auf nichts. Wie gesagt würden in diesem Fall jedoch all die Ausschließlichkeitsregeln obsolet.

Der absurdeste Widerspruch in dieser Sichtweise ist jedoch das Kriterium, nach welchem man beurteilen möchte, das (wahre) Liebe ist. Es ist dieser Aussage zufolge nur dann Liebe, wenn man sonst keine andere Person liebt oder begehrt. Das heißt, man definiert die Liebe nicht über die Gefühle, die man zu einer Person hat, sondern darüber, welche Gefühle man für andere Personen nicht hat. Ausschlaggebend sei also nicht die Anwesenheit, sondern die Abwesenheit von Gefühlen. Ist das nicht ein ziemlich liebloser Ansatz?

Donnerstag, 25. Juli 2013

Eifersucht - warum wir eifersüchtig sind


Du, Eifersucht, wärst Amors Kind?
So sei von mir bewundert.
Dein Vater, saget man, ist blind;
du hast der Augen hundert.
(Gerhard Anton von Halem)


Während der Verfasser dieser Zeilen schon im 18. Jahrhundert seine Zweifel an der Zugehörigkeit der Eifersucht zur Liebe reimend ausdrückte, halten heutzutage viele Menschen an der Vorstellung fest, Eifersucht gehöre zwingend zur Liebe dazu oder sei gar als "Liebesbeweis" zu werten. In manchen Kreisen gerät ein Mensch, der nicht eifersüchtig ist, unverzüglich in den Verdacht seinen Partner nicht wirklich und wahrhaftig zu lieben. Zwar hinterfragen die meisten Menschen nicht die Eifersucht an sich, dennoch merken viele, dass an dieser traditionellen, verherrlichenden Auslegung irgendetwas nicht stimmt:

Erstens: Jede Person, die schon einmal eifersüchtig war, weiß, dass es ein als negativ empfundenes Gefühl ist, trotz aller Mystifizierungen.

Zweitens: Wer sich von Eifersucht beherrschtes Verhalten von Menschen anschaut, wird feststellen, dass dies in den wenigsten Fällen liebevoll ist. Im Gegenteil: Man beschuldigt den Partner (wofür eigentlich?), spricht Verbote aus, zeigt Misstrauen und geht ganz und gar nicht auf die Bedürfnisse des Partners ein - im Gegenteil, man subkommuniziert mit solchem Verhalten: "Deine Bedürfnisse sind mir momentan egal, nicht dagegen meine Besitzansprüche." Spätestens hier sollten Zweifel daran aufkommen, dass Eifersucht ein Bestandteil der Liebe wäre.

Eifersüchtiges Verhalten ist nicht nur extrem lieblos, sondern kann auch sehr zerstörerisch auf die Liebe und die Beziehung wirken. Man erschafft dadurch eine Atmosphäre des Misstrauens, der Rechtfertigungspflicht und der Einschränkungen und löst damit womöglich erst das aus, was man so fürchtet, nämlich dass der Partner die Beziehung als zunehmend negativ behaftet sieht (selbst wenn er auf einer oberflächlich-rationalen Ebene interpretiert, dass er dir wichtig ist) und daher offener für Seitensprünge oder eine neue Beziehung ist. Selbst wenn du also Wert auf sexuelle und emotionale Ausschließlichkeit (Monogamie) legst, macht es Sinn, zu versuchen, die Eifersucht zu überwinden. Alles was du unternimmst, um "fremdgehen" oder "verlassen werden" direkt (durch Verbote, Drama, etc.) zu verhindern, erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert!

Trotz dieser Erkenntnis halten viele Menschen dennoch in einer relativierten Form gedanklich an der Sinnhaftigkeit der Eifersucht fest. In Gesprächen höre ich oft den Satz: "Ein gesundes Maß an Eifersucht ist gut für eine beziehung, man sollte es aber nicht übertreiben." Was um alles in der Welt soll denn ein "gesundes Maß an Eifersucht sein"? Das wäre doch, wie wenn man sagen würde: "Also ein grippaler Infekt ist scheiße, aber ein gesundes Maß an Erkältung sollte jeder haben."

Eifersucht zu verdammen oder einfach zu ignorieren wäre jedoch der falsche Ansatz. Vielmehr sollte man sie als Anlass zur Selbstreflektion nehmen (so wie man z.B. eine starke Erkältungsanfälligkeit zum Anlass nehmen könnte, über eine gesündere Ernährungsweise nachzudenken oder nicht mehr bei Minusgraden im T-Shirt draußen rumzulaufen).

Bevor ich - in einem anderen, gesonderten Artikel - darauf eingehe, wie das praktisch ablaufen kann, schauen wir uns zunächst einmal an, warum wir überhaupt eifersüchtig sind. Eifersucht ist im Kern der unbewusste, halbbewusste oder bewusste Glaube an die eigene Unterlegenheit gegenüber angeblicher oder tatsächlicher Konkurrenz. Wenn wir auf eine Person eifersüchtig sind, in ihr eine Gefahr für unsere Beziehung sehen, dann gehen wir davon aus, dass diese Person unserem Partner besser gefallen wird als wir selbst. Jemand der sehr eifersüchtig ist, nimmt unbewusst an, dass nahezu jede andere Person den Partner eher verdient hätte. Dies ist ein sehr zuverlässiger Hinweis darauf, dass man mit einem oder mehreren Aspekten in Bezug auf sich selbst und das eigene Leben nicht im Reinen ist. Wer in anderen Menschen keine Bedrohung sieht, empfindet auch keine oder wenn dann nur eine vernachlässigbare geringe Eifersucht in Extremsituationen. Eifersucht hat also weniger mit der Liebe zu tun, wie wir zu unserem Partner haben, sondern mehr mit der Liebe, die wir für uns selbst nicht haben. Einige behaupten, Eifersucht sei lediglich ein Ausdruck der (liebevollen) Angst, den Partner zu verlieren. Auch wenn Eifersucht und Verlustangst sicherlich oft miteinander einhergehen, ist diese auf Eifersucht begründete Verlustangst kaum vergleichbar mit der Sorge die man für den Partner hat, dass dieser einen Autounfall oder ähnliches haben könnte (das analoge Verhalten wäre ja, dem Partner das Auto fahren zu verbieten). Wo Minderwertigkeitsgefühle bzw. ein Mangel an Selbstvertrauen die Hauptursache ist, liegt die Lösung - zumindest theoretisch - auf der Hand: Die Steigerung des Selbstvertrauens bzw. des Selbstwertgefühls.

Leben Menschen monogam, weil sie eifersüchtig sind oder sind sie eifersüchtig, weil sie monogam leben?

"Polyamory klingt ja super, aber dafür bin ich viel zu eifersüchtig, deshalb bleibe ich lieber monogam." Diese Aussage klingt nachvollziehbar, übersieht aber einen wichtigen Aspekt: Erst das Dogma, dass man grundsätzlich nur einen Menschen lieben und zu nur einem Menschen eine wie auch immer geartete Beziehung führen könne, macht jede andere Person, die der Partner vielleicht attraktiv finden könnte, zu einer so existenziellen Bedrohung für die bestehende Beziehung, denn es ist ja klar: Wenn der Partner eine andere Person toll findet, dann kann er einen ja gar nicht mehr lieben. Zudem würde der oder die "Neue" ja verständlicherweise (aus denselben dogmatischen und/oder minderwertigkeitskomplexbehafteten Motiven heraus) auf einen Kontaktabbruch drängen. Die dogmatische Monogamie schafft also strukturell fast schon eine Art Notwendigkeit für Eifersucht, Kontrollwahn und damit verbundene Verlustängste. Natürlich gibt es auch monogame Paare, für die Eifersucht und Kontrollwahn keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielt. Dennoch sollte man diesen Aspekt nicht unterschätzen, denn genau genommen ist er ein besonders starker Auswuchs des Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzips allgemein. In Konkurrenz zu anderen Personen in Beziehungsfragen stehen wir 1) weil wir selbst von Konkurrenzdenken geleitet und 2) weil uns Konkurrenzsituationen von außen (von anderen Personen, dem Partner, der Gesellschaft) aufgezwungen werden. Selbst wenn wir an sich keine große Lust auf Konkurrenzkampf haben, kann uns die monogamistische Norm dennoch dazu zwingen, unsere Beziehung vor der sogenannten "Konkurrenz" zu schützen, zumindest für den Fall, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Erfolg der "Konkurrenz" nach den Spielregeln der (seriellen) Monogamie zwangsläufig das Ende der bestehenden Beziehung bedeutet.
Die wenigsten Menschen denken darüber nach, gänzlich vom Wettbewerbsprinzip abzusehen und es beispielsweise durch ein Solidaritätsprinzip zu ersetzen... .




Samstag, 6. Juli 2013

Offene Beziehungserlebnisse Teil 1

0. Vorwort:

Theorie ist schön und gut, doch was ist die Theorie ohne die Praxis? In diesem Teil möchte ich ein paar meiner persönlichen Erlebnisse schildern. Da sie teilweise schon einige Zeit her sind und aufgrund von Persönlichkeitsrechten Beteiligter Personen, werde ich oft nicht richtig ins Detail gehen können. Ich bitte dafür um Verständnis. Auch erhebe ich keinen Anspruch auf Vorbildhaftigkeit oder Vollständigkeit. Die wertvollsten und glücklichsten Momente polyamorer Erfahrungen lassen sich ohnehin nur schwer in Worte fassen. Bei folgenden Berichten geht es vor allem um einen lockeren und wohlwollenden Umgang mit angeblicher "Konkurrenz". Da ich alles aus der Erinnerung schreibe, ist auch keine chronologische Reihenfolge vorhanden. Kurze Gesprächsfetzen erhalten hier ebenso Beachtung wie längere Erlebnisse.

1. Nach einem gemeinsamen Rofabesuch (irgendwann zu Beginn unserer Beziehung)
...liegen wir nebeneinander angekuschelt im Bett. "Ich habe heute mit zwei Männern rumgemacht", meint Eva. "Ich mit drei Männern", erwidere ich wahrheitsgemäß und mit einem süffisanten Lächeln.
 
2. Die Angst ist meist schlimmer als die Realität
Ich war wohl etwa ein halbes Jahr mit Eva zusammen, als ich R. kennen lerne. R. verwirft innerhalb eines Abends all ihre moralischen Prinzipien. Die Geschichte an sich wäre schon einen eigenen Artikel Wert, an dieser Stelle sei nur gesagt: Nachdem sie mich vorab aufklärt, dass Küssen beim ersten Treffen gar nicht ginge und sie erst Recht niemanden mit zu sich nach Hause nehmen würde und sowieso sexuelle Kontakte grundsätzlich nur innerhalb einer (monogamen) Beziehung stattfinden dürften, landen wir nach vielleicht vier Stunden bei ihr zu Hause. Die Initiative geht von ihr aus. Ich mache ihr vorab klar, dass ich gerne meinen Spaß habe und nicht für die Monogamie geschaffen sei. Sieg der Emotionen über die Moral! Um sie nicht gänzlich zu überfordern, konfrontiere ich sie erst nach und nach mit den Details meiner Einstellung zum Thema Liebe (heute handhabe ich das ein wenig anders). Besonders schwer zu knabbern hat sie an der Tatsache, dass ich schon eine feste Freundin habe. Offenbar hat sie Hoffnungen gehegt, mich irgendwie umstimmen zu können. Mit der Zeit findet sie immer mehr Gefallen an offenen bzw. polyamoren Konzepten. Doch kommt sie auch nach vielen Monaten noch nicht damit klar, dass da noch Eva war. Eines Tages schlage ich R. vor, dass sie Eva mal persönlich kennen lernen solle und es ihr dann damit vielleicht besser ginge. Trotz ihrer Ablehnung richte ich es ein, dass die beiden sich begegnen (Eva setzte ich natürlich in Kenntnis). Sobald sie Eva sieht, sind R.'s Angst und Bedenken wie weggeblasen. Sätze wie "Hach, jetzt versteh ich warum ihr euch so liebt und diese Art von Beziehung führt" und "Ich glaub, ich hab mich auch ein wenig in Eva verliebt" sowie "Ich bin froh dass du das so eingefädelt hast, ich hab jetzt kein Problem mehr damit", sind nur ein paar Beispiele, was ich die Tage darauf zu hören bekomme. Die Monate darauf unternehmen wir auch einige Male etwas zu dritt, zwischen den beiden entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis.
Inzwischen lebt R. wieder in einer monogamen Beziehung, führt diese jedoch weitaus gelassener und stressfreier als ihre vorherigen monogamen Beziehungen, was sie u.a. auf ihren Ausflug in die Freiheit zurückführt. Wir sind nach wie vor befreundet - eben zur Zeit ohne "Extras".

3. Pizza
Ich betrete Eva's Wohnung. Sie hat gerade von F. Besuch. Die beiden futtern eine Tiefkühlpizza. Ich geselle mich hinzu. F. habe ich schon zuvor flüchtig kennen gelernt. Ich mag ihn. Wir führen Small Talk über dies und das. Irgendwann debattieren F. und ich darüber, wer oder was Tom Bombadil ist und wie die Valar vom Hinscheiden von Gandalf dem Grauen erfahren haben (er tippt auf Radagast). Eva versteht zunehmend nur Bahnhof. Ich betrachte zunehmend sehnsüchtig die Pizza. F. bemerkt dies und fragt: "Willst auch ne Pizza? Es ist noch ausreichend da." Ich nehme das Angebot gerne an: "Klar, da sage ich nicht nein." Er steht auf und verlässt das Zimmer in Richtung Küche: "Alles klar, ich schieb dir eine rein." - "Du meinst in den Ofen, oder?" - "Ich sehe, wir verstehen uns."




Freitag, 14. Juni 2013

Polyamory und Promiskuität

"Ihr wollt doch nur rumvögeln!" - Eine der am häufigsten zur Sprache gebrachten Vorverurteilungen polyamorer Menschen. Dieses "rumvögeln" nennt man Promiskuität. Die (wertende) Gleichsetzung von Polyamory und Promiskuität ist nicht nur faktisch falsch, sondern gleich dreifach bescheuert.

1. Promiskuität, also Sex mit vielen Menschen zu haben oder "nur" sexuelle Verhältnisse ohne emotionale und andersweite Bindung einzugehen, wird grundsätzlich als etwas negatives angesehen. Darf ich fragen, was daran so schlimm sein soll, wenn zwei oder mehr Menschen einvernehmlichen Sex haben und weiter nichts passiert oder sie in ihrer derzeitigen Lebenssituation (oder generell) keine engeren Bindungen haben möchten?

2. Polyamory bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Sexualität, sondern auch auf Emotionalität, also sprich darauf, mehrere Menschen zu LIEBEN. Meine lieben Moralapostel, ich glaube, in diesem Punkt dürften wir uns einig sein: Liebe besteht nicht nur aus Sex. Zwar gibt es keine einheitliche polyamore Norm, doch in der Regel bejahen polyamore Menschen langfristige Beziehungen und starke emotionale Bindungen - oft eben nicht nur zu einem Menschen. Rein sexuelle Verhältnisse werden zwar nicht explizit angestrebt, aber auch nicht ausgeschlossen: Alles was einvernehmlich ist und alle Beteiligten glücklich macht, ist okay. Sei es eine Liebesbeziehung, Romanze, Affäre, Freundschaft Plus, oder wie man es sonst noch benennen mag.

3. Interessant, dass ausgerechnet für die Menschen, die freie Sexualität verurteilen, Sex der einzig denkbare Grund ist, nicht-monogam zu leben. Interessant, dass ausgerechnet die Menschen, die uns gerne vorwerfen, wir wären sexbesessen, riesige Dramen veranstalten, langjährige Beziehungen beenden und Familienstrukturen zerstören, nur weil einer der Beteiligten "fremdgegangen" ist - nur wegen ein bisschen Sex! Da frage ich mich, wer hier sexfixierter und -besessener ist: Ein Mensch der Sex einfach einvernehmlich und frei genießt, mit oder ohne Gefühle oder jemand, der wegen Sex (den er/sie noch nichtmal selbst gehabt hat in dem Fall) im Zweifelsfall sein halbes Leben umwirft und dabei weder Rücksicht auf sich, noch den Partner, noch auf eventuelle Kinder nimmt.

Samstag, 11. Mai 2013

Rock gegen Sexismus und Homophobie

Noch immer herrschen diverse Vorstellungen davon, was ein "echter Mann" oder eine "echte Frau" sein soll. Vom Sozialverhalten über Berufsbilder bis hin zu so simplen und an sich unbedeutenden Dingen wie Kleidung. Sobald man - was letztgenanntes betrifft - gegen die Norm verstößt, kann es zu seltsamen Reaktionen der Mitmenschen kommen, schlimmstenfalls bis hin zu offener Diskriminierung oder gar Gewalt. Es lässt sich damit aber auch jede Menge Spaß haben... .

Treffe mich mit einer Freundin in Tübingen. Die Zugfahrt ist unspektakulär (zu dem Zeitpunkt trage ich noch Jeans). Am Tübinger Bahnhof lerne ich kurz ihren neuen Freund kennen. Sympathischer Kerl. Nachdem er sich verabschiedet hat, gehen Alice und ich erstmal Richtung Subway - ich habe Hunger. Blöderweise nehmen sie keine EC-Karten-Zahlung an. Also kurz zur Bank schräg gegenüber. Von den beiden Geldautomaten funktioniert nur einer, und der spuckt als kleinsten Schein 50-Euro aus. Ist das die Zukunft des Euro, dass man irgendwann nur noch große Scheine abheben kann, und wer Ende des Monats nicht mehr genug auf dem Konto hat, hat Pech gehabt? Zurück zu Subway und gegessen. Anschließend auf die Toilette. Ziehe mir einen recht kurzen, roten Lackrock an, den ich die Woche zuvor in Stuttgart gekauft hatte, und darunter auch ein weibliches Unterwäscheteil (das zumindest ausreichte, um die Stellen zu bedecken, die man in der Öffentlichkeit bedecken sollte). Oben trage ich schon die ganze Zeit über ein T-Shirt mit der Aufschrift "Gottlos glücklich", an welches ein Hammer-und-Sichel-Button gepinnt ist. Insgesamt nun also ein Outfit das auf unterschiedlichen Ebenen (nämlich oberhalb und unterhalb der Gürtellinie) zur Provokation geeignet ist. Wozu das ganze? In erster Linie aus Spaß. Doch abgesehen davon kann es nicht schaden, auch mal bewusst gegen Normen zu verstoßen, um die Sensibilität der Menschen auf den Prüfstand zu stellen und zu schärfen. Wenn du heute als Mann mit einem "weiblichen" Rock rumläufst, dann wirst du zumindest angestarrt. Mir persönlich macht das nichts aus, aber gilt das auch für Menschen, die zum Beispiel biologisch männlich sind, jedoch das soziale weibliche Geschlecht annehmen und sich auch entsprechend kleiden? Für sie ist es eine Frage der Identität und nicht einfach nur eine spaßige Aktion. Doch was wenn nun immer mehr Menschen von der herkömmlichen Norm abweichen? Wenn du jeden Tag Männer in Röcken sehen würdest, dann würdest du nach einiger Zeit nichts mehr daran komisch finden - und aufhören zu starren.

Nachdem wir uns beim Rewe ein paar Bier besorgt haben, laufen Alice und ich Richtung Eberhardsbrücke. Sie kichert unentwegt. Ich frage sie irgendwann, was denn los wäre. Sie meint: "Die Leute, wie sie gucken!" War mir gar nicht aufgefallen. Ich achte nun bewusst darauf und stelle nun ebenfalls ein sehr amüsantes Verhalten der Menschen die uns entgegen kommen fest. Ein kurzes Starren, dann den Blick woanders hin gerichtet, und kurz bevor man ihrem Blickfeld entschwindet noch einmal ein prüfender Blick, ob sie auch wirklich richtig gesehen haben. Ein paar ältere Menschen werfen mir auch böse Blicke zu, als wir an ihnen vorbei laufen. Ich grinse sie an und laufe weiter. Auf der Flussinsel setzen wir uns auf eine Bank. Die jungen Frauen an denen wir vorbei laufen, kichern. Alice beginnt, mich ab nun mit Olivia anzusprechen. Im Gegenzug nenne ich sie Günter. Zunächst bleiben die Reaktionen der Leute verhalten. Als wir nochmals Biernachschub holen, kommt uns eine Gruppe "halbstarker" Jungs entgegen. So Marke Ende Pubertät. Sie glotzen einigermaßen blöd aus ihrer betont maskulinen Wäsche, ich höre Kommentare wie "Ey Alter, guck mal den!". - "Und trotzdem hab ICH ne Frau dabei", entfährt es mir halblaut (ja ich weiß, voll heteronormativ und so).

Wir sitzen nun wieder auf einer Bank. Zwei Inder (ich vermute mal, dass es Inder waren) laufen an uns vorbei und werfen uns neugierige Blicke zu. Sie drehen sich nochmals zu uns um und grinsen. Ich werfe ihnen einen Handkuss zu, sie erwidern die Geste. Sie kommen zurück, geben Alice und mir grinsend die Hand. Einer von ihnen packt plötzlich ein Bündel Bananen aus seiner Tasche und überreicht uns jeweils eine. Sie verabschieden sich von uns und gehen. Nachdem wir uns von unserem Lachanfall erholt haben, machen wir uns erstmal Gedanken darum, wo wir uns die Bananen am besten hinstecken. Wir entscheiden uns dann doch für die traditionelle Variante: Einfach essen. Natürlich nicht ohne entsprechend andeutende Bewegungen zu machen... .

An den Wortlaut unserer Unterhaltung kann ich mich nicht mehr exakt erinnern. Eine perverse Zweideutigkeit folgte der anderen. Meine Bauchmuskeln schmerzen irgendwann vor lauter Lachen.

Ein junger Mann aus Montenegro spricht uns ebenfalls an. Er heißt Remis. Er fragt mich, ob ich homosexuell sei. Irrtümlicherweise konstruieren viele Menschen einen Zusammenhang zwischen Homosexualität bei Männern und weiblichem Verhalten. Er meint es aber keineswegs böse, sondern scheint neugierig. Ich kläre ihn auf. "Du bist ja geil drauf", meint er. Es stellt sich heraus, dass er zum einen in derselben Gegend wohnt wie Alice, zum anderen auch eher der Typ für offene Beziehungen ist. Blöd für Alice, dass sie gerade am Beginn einer wohl eher monogamen Beziehung steht. Wir unterlassen es natürlich nicht, sie damit aufzuziehen, wie schön es doch wäre, wenn wir uns jetzt zu dritt ein Hotelzimmer nehmen würden... . Wir quatschen über Gott und die Welt, von Sex und Beziehungen anfangen bis hin zur Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Remis wiederholt des öfteren die Aussage: "Du bist echt geil drauf."

Später laufen wir zurück zum Bahnhof, Alice in der Mitte, mit uns beiden Händchen haltend. "Boah, die halten mich hier alle bestimmt voll für ne Schlampe", meint sie. "Aaach, die gucken doch eh alle nur MIR hinterher", tröste ich sie. Am Bahnhof verabschieden wir uns herzlich.

Im Zug werde ich plötzlich müde. Ich döse vor mich hin, werfe aber, wenn Leute einsteigen kurz einen Blick in den Gang. Man weiß ja nie, zumal ich ja nun alleine unterwegs bin. Schon fast zurück in Stuttgart, spricht mich ein junger Mann an. "Sag mal...warum machst du das? Warst du mal ne Frau?" Was für eine Schlussfolgerung! Ich antworte wahrheitsgemäß: "Nicht dass ich wüsste. Ist einfach nur aus Spaß." Er findet es super und fragt mich, ob er ein Foto machen darf. Ich habe nichts dagegen. Wir unterhalten uns kurz, er geht dann in Richtung "was essen holen", ich zur S-Bahn. Dort sitzt mir eine junge Frau gegenüber, die mich immer wieder verstohlen anschaut. Wir wechseln ein paar freundliche Worte, dann steige ich in Ludwigsburg aus und laufe Richtung Bus. Am Bahnhofseingang stehen zwei Männer und eine Frau, vermutlich südländisch. Ich bin schon längst an ihnen vorbei gelaufen, da ruft sie mir irgendwas hinterher. Ich bleibe stehen und drehe mich um. Sie ruft wieder. Ich laufe zurück. "Was hast du denn da an?", fragt sie mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis. "Nen Rock, wie du siehst", sage ich. Sie mustert mich noch immer mit einem "Ich weiß nicht was ich davon halten soll"-Blick. "Sieht doch geil aus, oder?", füge ich hinzu. Einer der Typen ist auf mein "Gottlos glücklich"-T-Shirt aufmerksam geworden. "Bist Atheist?" - "Ja klar!" - "Ich auch." Er hält mir die Hand zum Einschlagen hin. Wir klatschen ab. Dann verändert sich sein Gesichtsausdruck. "Blöde Schwuchtel". Ich überhöre es, wünsche ihnen noch einen schönen Abend und spaziere zur Bushaltestelle.

Fazit: Homophobie und starres Geschlechterrollendenken ist durchaus noch vorhanden in unserer Gesellschaft, wenn auch vermutlich weniger ausgeprägt als früher. Die meisten Reaktionen sind eher neutral. Interessanterweise stammten die ausdrücklich positiven Reaktionen von Menschen aus anderen Kulturkreisen, die eher negativen Reaktionen kulturunabhängig, oder eben von älteren Menschen. Was mich sehr freut ist, bei der Aktion die Bekanntschaft eines sehr aufgeschlossenen und sympathischen Menschen gemacht zu haben (Remis). Über die politisch-gesellschaftliche Wirksamkeit solcher Aktionen mag man sich streiten, doch allein fürs Menschen kennen lernen und für den Spaß den wir dabei hatten, lohnt es sich.

PS.: Sei ehrlich! Du hast beim Lesen der Überschrift mit einem Bericht über ein Rockkonzert gerechnet.

Donnerstag, 2. Mai 2013

"Was empfindest du...?"

Zu Beginn unserer Beziehung (also vor fast vier Jahren) fragte ich Eva, was sie denn empfinde, wenn ich mich mit anderen Frauen treffe. Ihre Antwort:

"Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder sie ist toll, dann freue ich mich darüber, dass du tolle Menschen kennen lernst. Oder sie ist 'ne Zicke, dann freue ich mich darüber, dass sie dir zeigt, was du an mir hast."

Dem ist nichts hinzuzufügen.