Donnerstag, 25. Juli 2013

Eifersucht - warum wir eifersüchtig sind


Du, Eifersucht, wärst Amors Kind?
So sei von mir bewundert.
Dein Vater, saget man, ist blind;
du hast der Augen hundert.
(Gerhard Anton von Halem)


Während der Verfasser dieser Zeilen schon im 18. Jahrhundert seine Zweifel an der Zugehörigkeit der Eifersucht zur Liebe reimend ausdrückte, halten heutzutage viele Menschen an der Vorstellung fest, Eifersucht gehöre zwingend zur Liebe dazu oder sei gar als "Liebesbeweis" zu werten. In manchen Kreisen gerät ein Mensch, der nicht eifersüchtig ist, unverzüglich in den Verdacht seinen Partner nicht wirklich und wahrhaftig zu lieben. Zwar hinterfragen die meisten Menschen nicht die Eifersucht an sich, dennoch merken viele, dass an dieser traditionellen, verherrlichenden Auslegung irgendetwas nicht stimmt:

Erstens: Jede Person, die schon einmal eifersüchtig war, weiß, dass es ein als negativ empfundenes Gefühl ist, trotz aller Mystifizierungen.

Zweitens: Wer sich von Eifersucht beherrschtes Verhalten von Menschen anschaut, wird feststellen, dass dies in den wenigsten Fällen liebevoll ist. Im Gegenteil: Man beschuldigt den Partner (wofür eigentlich?), spricht Verbote aus, zeigt Misstrauen und geht ganz und gar nicht auf die Bedürfnisse des Partners ein - im Gegenteil, man subkommuniziert mit solchem Verhalten: "Deine Bedürfnisse sind mir momentan egal, nicht dagegen meine Besitzansprüche." Spätestens hier sollten Zweifel daran aufkommen, dass Eifersucht ein Bestandteil der Liebe wäre.

Eifersüchtiges Verhalten ist nicht nur extrem lieblos, sondern kann auch sehr zerstörerisch auf die Liebe und die Beziehung wirken. Man erschafft dadurch eine Atmosphäre des Misstrauens, der Rechtfertigungspflicht und der Einschränkungen und löst damit womöglich erst das aus, was man so fürchtet, nämlich dass der Partner die Beziehung als zunehmend negativ behaftet sieht (selbst wenn er auf einer oberflächlich-rationalen Ebene interpretiert, dass er dir wichtig ist) und daher offener für Seitensprünge oder eine neue Beziehung ist. Selbst wenn du also Wert auf sexuelle und emotionale Ausschließlichkeit (Monogamie) legst, macht es Sinn, zu versuchen, die Eifersucht zu überwinden. Alles was du unternimmst, um "fremdgehen" oder "verlassen werden" direkt (durch Verbote, Drama, etc.) zu verhindern, erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert!

Trotz dieser Erkenntnis halten viele Menschen dennoch in einer relativierten Form gedanklich an der Sinnhaftigkeit der Eifersucht fest. In Gesprächen höre ich oft den Satz: "Ein gesundes Maß an Eifersucht ist gut für eine beziehung, man sollte es aber nicht übertreiben." Was um alles in der Welt soll denn ein "gesundes Maß an Eifersucht sein"? Das wäre doch, wie wenn man sagen würde: "Also ein grippaler Infekt ist scheiße, aber ein gesundes Maß an Erkältung sollte jeder haben."

Eifersucht zu verdammen oder einfach zu ignorieren wäre jedoch der falsche Ansatz. Vielmehr sollte man sie als Anlass zur Selbstreflektion nehmen (so wie man z.B. eine starke Erkältungsanfälligkeit zum Anlass nehmen könnte, über eine gesündere Ernährungsweise nachzudenken oder nicht mehr bei Minusgraden im T-Shirt draußen rumzulaufen).

Bevor ich - in einem anderen, gesonderten Artikel - darauf eingehe, wie das praktisch ablaufen kann, schauen wir uns zunächst einmal an, warum wir überhaupt eifersüchtig sind. Eifersucht ist im Kern der unbewusste, halbbewusste oder bewusste Glaube an die eigene Unterlegenheit gegenüber angeblicher oder tatsächlicher Konkurrenz. Wenn wir auf eine Person eifersüchtig sind, in ihr eine Gefahr für unsere Beziehung sehen, dann gehen wir davon aus, dass diese Person unserem Partner besser gefallen wird als wir selbst. Jemand der sehr eifersüchtig ist, nimmt unbewusst an, dass nahezu jede andere Person den Partner eher verdient hätte. Dies ist ein sehr zuverlässiger Hinweis darauf, dass man mit einem oder mehreren Aspekten in Bezug auf sich selbst und das eigene Leben nicht im Reinen ist. Wer in anderen Menschen keine Bedrohung sieht, empfindet auch keine oder wenn dann nur eine vernachlässigbare geringe Eifersucht in Extremsituationen. Eifersucht hat also weniger mit der Liebe zu tun, wie wir zu unserem Partner haben, sondern mehr mit der Liebe, die wir für uns selbst nicht haben. Einige behaupten, Eifersucht sei lediglich ein Ausdruck der (liebevollen) Angst, den Partner zu verlieren. Auch wenn Eifersucht und Verlustangst sicherlich oft miteinander einhergehen, ist diese auf Eifersucht begründete Verlustangst kaum vergleichbar mit der Sorge die man für den Partner hat, dass dieser einen Autounfall oder ähnliches haben könnte (das analoge Verhalten wäre ja, dem Partner das Auto fahren zu verbieten). Wo Minderwertigkeitsgefühle bzw. ein Mangel an Selbstvertrauen die Hauptursache ist, liegt die Lösung - zumindest theoretisch - auf der Hand: Die Steigerung des Selbstvertrauens bzw. des Selbstwertgefühls.

Leben Menschen monogam, weil sie eifersüchtig sind oder sind sie eifersüchtig, weil sie monogam leben?

"Polyamory klingt ja super, aber dafür bin ich viel zu eifersüchtig, deshalb bleibe ich lieber monogam." Diese Aussage klingt nachvollziehbar, übersieht aber einen wichtigen Aspekt: Erst das Dogma, dass man grundsätzlich nur einen Menschen lieben und zu nur einem Menschen eine wie auch immer geartete Beziehung führen könne, macht jede andere Person, die der Partner vielleicht attraktiv finden könnte, zu einer so existenziellen Bedrohung für die bestehende Beziehung, denn es ist ja klar: Wenn der Partner eine andere Person toll findet, dann kann er einen ja gar nicht mehr lieben. Zudem würde der oder die "Neue" ja verständlicherweise (aus denselben dogmatischen und/oder minderwertigkeitskomplexbehafteten Motiven heraus) auf einen Kontaktabbruch drängen. Die dogmatische Monogamie schafft also strukturell fast schon eine Art Notwendigkeit für Eifersucht, Kontrollwahn und damit verbundene Verlustängste. Natürlich gibt es auch monogame Paare, für die Eifersucht und Kontrollwahn keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielt. Dennoch sollte man diesen Aspekt nicht unterschätzen, denn genau genommen ist er ein besonders starker Auswuchs des Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzips allgemein. In Konkurrenz zu anderen Personen in Beziehungsfragen stehen wir 1) weil wir selbst von Konkurrenzdenken geleitet und 2) weil uns Konkurrenzsituationen von außen (von anderen Personen, dem Partner, der Gesellschaft) aufgezwungen werden. Selbst wenn wir an sich keine große Lust auf Konkurrenzkampf haben, kann uns die monogamistische Norm dennoch dazu zwingen, unsere Beziehung vor der sogenannten "Konkurrenz" zu schützen, zumindest für den Fall, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Erfolg der "Konkurrenz" nach den Spielregeln der (seriellen) Monogamie zwangsläufig das Ende der bestehenden Beziehung bedeutet.
Die wenigsten Menschen denken darüber nach, gänzlich vom Wettbewerbsprinzip abzusehen und es beispielsweise durch ein Solidaritätsprinzip zu ersetzen... .




Samstag, 6. Juli 2013

Offene Beziehungserlebnisse Teil 1

0. Vorwort:

Theorie ist schön und gut, doch was ist die Theorie ohne die Praxis? In diesem Teil möchte ich ein paar meiner persönlichen Erlebnisse schildern. Da sie teilweise schon einige Zeit her sind und aufgrund von Persönlichkeitsrechten Beteiligter Personen, werde ich oft nicht richtig ins Detail gehen können. Ich bitte dafür um Verständnis. Auch erhebe ich keinen Anspruch auf Vorbildhaftigkeit oder Vollständigkeit. Die wertvollsten und glücklichsten Momente polyamorer Erfahrungen lassen sich ohnehin nur schwer in Worte fassen. Bei folgenden Berichten geht es vor allem um einen lockeren und wohlwollenden Umgang mit angeblicher "Konkurrenz". Da ich alles aus der Erinnerung schreibe, ist auch keine chronologische Reihenfolge vorhanden. Kurze Gesprächsfetzen erhalten hier ebenso Beachtung wie längere Erlebnisse.

1. Nach einem gemeinsamen Rofabesuch (irgendwann zu Beginn unserer Beziehung)
...liegen wir nebeneinander angekuschelt im Bett. "Ich habe heute mit zwei Männern rumgemacht", meint Eva. "Ich mit drei Männern", erwidere ich wahrheitsgemäß und mit einem süffisanten Lächeln.
 
2. Die Angst ist meist schlimmer als die Realität
Ich war wohl etwa ein halbes Jahr mit Eva zusammen, als ich R. kennen lerne. R. verwirft innerhalb eines Abends all ihre moralischen Prinzipien. Die Geschichte an sich wäre schon einen eigenen Artikel Wert, an dieser Stelle sei nur gesagt: Nachdem sie mich vorab aufklärt, dass Küssen beim ersten Treffen gar nicht ginge und sie erst Recht niemanden mit zu sich nach Hause nehmen würde und sowieso sexuelle Kontakte grundsätzlich nur innerhalb einer (monogamen) Beziehung stattfinden dürften, landen wir nach vielleicht vier Stunden bei ihr zu Hause. Die Initiative geht von ihr aus. Ich mache ihr vorab klar, dass ich gerne meinen Spaß habe und nicht für die Monogamie geschaffen sei. Sieg der Emotionen über die Moral! Um sie nicht gänzlich zu überfordern, konfrontiere ich sie erst nach und nach mit den Details meiner Einstellung zum Thema Liebe (heute handhabe ich das ein wenig anders). Besonders schwer zu knabbern hat sie an der Tatsache, dass ich schon eine feste Freundin habe. Offenbar hat sie Hoffnungen gehegt, mich irgendwie umstimmen zu können. Mit der Zeit findet sie immer mehr Gefallen an offenen bzw. polyamoren Konzepten. Doch kommt sie auch nach vielen Monaten noch nicht damit klar, dass da noch Eva war. Eines Tages schlage ich R. vor, dass sie Eva mal persönlich kennen lernen solle und es ihr dann damit vielleicht besser ginge. Trotz ihrer Ablehnung richte ich es ein, dass die beiden sich begegnen (Eva setzte ich natürlich in Kenntnis). Sobald sie Eva sieht, sind R.'s Angst und Bedenken wie weggeblasen. Sätze wie "Hach, jetzt versteh ich warum ihr euch so liebt und diese Art von Beziehung führt" und "Ich glaub, ich hab mich auch ein wenig in Eva verliebt" sowie "Ich bin froh dass du das so eingefädelt hast, ich hab jetzt kein Problem mehr damit", sind nur ein paar Beispiele, was ich die Tage darauf zu hören bekomme. Die Monate darauf unternehmen wir auch einige Male etwas zu dritt, zwischen den beiden entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis.
Inzwischen lebt R. wieder in einer monogamen Beziehung, führt diese jedoch weitaus gelassener und stressfreier als ihre vorherigen monogamen Beziehungen, was sie u.a. auf ihren Ausflug in die Freiheit zurückführt. Wir sind nach wie vor befreundet - eben zur Zeit ohne "Extras".

3. Pizza
Ich betrete Eva's Wohnung. Sie hat gerade von F. Besuch. Die beiden futtern eine Tiefkühlpizza. Ich geselle mich hinzu. F. habe ich schon zuvor flüchtig kennen gelernt. Ich mag ihn. Wir führen Small Talk über dies und das. Irgendwann debattieren F. und ich darüber, wer oder was Tom Bombadil ist und wie die Valar vom Hinscheiden von Gandalf dem Grauen erfahren haben (er tippt auf Radagast). Eva versteht zunehmend nur Bahnhof. Ich betrachte zunehmend sehnsüchtig die Pizza. F. bemerkt dies und fragt: "Willst auch ne Pizza? Es ist noch ausreichend da." Ich nehme das Angebot gerne an: "Klar, da sage ich nicht nein." Er steht auf und verlässt das Zimmer in Richtung Küche: "Alles klar, ich schieb dir eine rein." - "Du meinst in den Ofen, oder?" - "Ich sehe, wir verstehen uns."